Auf den Spuren von Christiane – Im Gespräch mit Autorin Jutta Weber-Bock

Stuttgart (c) mendocino53 / Pixabay.com
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Das Vermächtnis der Kurfürstin – Juttta Weber-Bock
Herausgeber ‏ : ‎ Gmeiner-Verlag; 2022. Edition (13. April 2022)
Sprache ‏ : ‎ Deutsch
Taschenbuch ‏ : ‎ 480 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3839201136
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3839201138

Wie kam es zu der Reihe um Christiane? Im Nachwort schreiben Sie, es wäre ein Zufall gewesen, hatten Sie eigentlich zu einem anderen Buch recherchiert?

Ich hatte ein anderes Thema im Kopf und wollte ursprünglich einen Roman über eine Kindsmörderin schreiben, die in Stuttgart auf dem „Käs“, wie die kreisrunde Hinrichtungsstätte genannt wurde, geköpft wird. Mich haben die Beweggründe interessiert, die eine Frau getrieben haben könnten, ihr neugeborenes Kind zu töten, was in der damaligen Zeit gar nicht so selten vorgekommen ist. Damit zusammen hängt auch die Frage nach dem sozialen Hintergrund und der gesellschaftlichen Stellung dieser Frauen. Die Idee stammt vom Henkersfest, das jedes Jahr im August auf dem heutigen Wilhelmsplatz gefeiert wird, wo die Hauptstätter Straße endet. Im Hauptstaatsarchiv bin ich dann auf den Fall der Giftmörderin Christiane Ruthardt gestoßen, der mich nicht mehr losgelassen hat.

Was hat Sie an den Aufzeichnungen zu Christiane so fasziniert, dass Sie gleich zwei Bücher dazu geschrieben haben?

Die Lebensbeschreibung, die Christiane Ruthardt vor dem Untersuchungsrichter abgibt und die sich in den Gerichtsakten nachlesen lässt, mutet an wie ein Roman. Ich folge im Roman dieser Erzählung in weiten Teilen, aber nicht immer. Nach der Geburt der leiblichen Mutter weggenommen, heimlich zu einer Amme gegeben und später bei Pfarrersleuten aufgewachsen, die sie für ihr eigenes Kind ausgegeben haben. So begann es. Es gab noch eine ganze Reihe von weiteren Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten, denen ich nachgegangen bin. Aus Christianes Zeugnissen lassen sich die Eckpunkte ihres späteren Lebens rekonstruieren. Ich habe mich gefragt, wie es ihr im Alltag ergangen ist und was es bedeutet, wenn sie aussagt: „Dann kam ich nach München, wo ich sechs Jahre blieb.“ In den Zeugnissen steht, bei welchen Dienstherren sie jeweils angestellt war. Ich habe auch zu diesen Personen recherchiert, wie zu Geheimrat von Wiebeking oder zu Major von Renner, dem in den Napoleonischen Kriegen der halbe Kiefer weggeschossen worden war.

Wie haben die Recherchen ausgesehen? War es ein reines Abtauchen in Archiven und Bibliotheken oder gab es auch Vor-Ort-Recherchen?

(C) Jutta Weber-Bock

Neben Materialien aus Archiven und Bibliotheken war die Schauplatzrecherche für mich essenziell. Ich habe versucht, mir den Ort zur Zeit der Handlung vorzustellen und nach historischen Spuren gesucht. Alle im Roman vorkommenden Schauplätze habe ich besucht. Meinem Mann, dem Lyriker und Fotografen Wolfgang Haenle, bin ich sehr dankbar für die vielen Fotos, die es mir dann beim Schreiben ermöglicht haben, noch einmal in die Szenerie einzutauchen. Ich habe mich auch vor Ort in Museen und Stadtarchiven kundig gemacht, manchmal sogar eine Stadtführung gemacht. Und meistens wusste ich dann, wonach ich suche. Ich bin Christianes Spuren gefolgt, habe sie aber auch auf fiktive Wege geschickt, wie bei der Wanderung von Wildberg nach Herrenberg, die ich selbst gegangen bin. Alte Stadtpläne waren ebenfalls eine unentbehrliche Hilfe. Einen Stadtplan von München von 1830 habe ich mir aus Blättern des Statischen Landesamtes zusammengeklebt, um mir Christianes Wohnorte besser vor Augen führen zu können.

Wieviel Fiktion steckt im Buch? Gibt es vielleicht sogar Vorbilder, an die Figuren angelehnt wurden?

Bis auf die sogenannten Nebenfiguren der Geschichte, wie zum Beispiel Köchinnen oder Kutscher, haben fast alle Figuren reale Vorbilder, an die ich mich angelehnt habe. Oft ist wenig mehr als ein Name bekannt, aber manchmal habe ich bei der Recherche auch Charakterbilder gefunden. So steht über Finanzkammerkanzlist Ruepprecht in der Ulmer Bilderchronik geschrieben: „Johann David Ruprecht, Jurist, brachte es später nur zum Kanzlisten. Die Alten erinnern sich seiner als des Gegenstandes der Belustigung für die Stolzenburg, eine Gartengesellschaft.“ Das habe ich natürlich aufgenommen und weitergesponnen und war sehr glücklich, dass ich auch eine Lithographie von ihm gefunden habe. Wichtig war mir aber vor allem „die innere Wahrheit“ (Hans Fallada) des Erzählten, denn ich weiche ab natürlich von den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie sich vermeintlich darstellen.

  

Das Mündel des Hofmedicus – Jutta Weber-Bock
Herausgeber ‏ : ‎ Gmeiner-Verlag; 2020. Edition (8. Juli 2020)
Sprache ‏ : ‎ Deutsch
Taschenbuch ‏ : ‎ 448 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3839226953
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3839226957

Die Bücher sind als historische Romane eingeordnet und doch sind sie auch für Krimifans interessant. Wo liegt der Schwerpunkt bei den Romanen?

Auf beiden Genres, dem historischen Roman einerseits, aber auf der anderen Seite sind auch viele Krimi-Elemente eingeflossen. Die Bücher sind keine historischen Kriminalromane im Sinne von Ermittlerplots, aber es gibt eine Reihe historischer Figuren, deren merkwürdige Todesumstände ich hinterfragt habe. Und manchmal bin ich abseits offizieller Darstellungen auf neue Erkenntnisse gestoßen, wie zum Beispiel in einer Disseration zur württembergischen Textilgeschichte zum Tod des württembergischen Finanzministers Ferdinand von Weckherlin. Das merkwürdige Ableben des Hofmedicus von Klein wiederum hat mich auf die Frage gebracht, warum er nicht, wie es allgemein für Ärzte üblich war, seinen Körper der Wissenschaft zur Verfügung gestellt, sondern verfügt hat, dass man ihn nicht obduzieren soll. So haben sich mir neue Räume für die Handlung meiner Geschichte eröffnet.

Was schreiben Sie lieber? Einen historischen Roman, einen Krimi oder ein ganz anderes Genre?

Es kommt auf den Stoff an, wenn dieser mich begeistert, frage ich nicht nach dem Genre. Das ist zweitrangig. Schon lange treibt mich zum Beispiel ein Science Fiction Roman um, aber auch die Geschichte meiner elsässischen Urgroßmutter lässt mich nicht los. Doch als nächstes werde ich einen historischen Stoff vom Anfang des 16. Jahrhunderts weiterbearbeiten.

Was ist Ihnen wichtig beim Schreiben?

Wichtig sind mir vor allem die Charaktere. Die Personen müssen mir vor Augen stehen und eine innere Stimme bekommen. Aus den Figuren entwickele ich die Geschichte und manchmal bin ich daran gar nicht beteiligt, sondern meine Personen wissen von allein, wie es weitergeht und ich kann ihnen nur hinterher schreiben. Mir ist aber auch eine authentische Sprache sehr wichtig, die Bilder im Kopf der Leser:innen entstehen lässt.

Und zum Abschluss: wird es ein Wiedersehen mit Christiane geben?

Ich arbeite bereits am dritten und letzten Band zum Leben von Christiane. Soviel sei verraten: Sie wird als nächstes ihre große Liebe treffen.

Liebe Frau Weber-Bock, vielen Dank für Ihre Zeit und das tolle Gespräch zu Ihrer Buchreihe um Christiane.

Jutta Weber-Bock

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