Lieber Hendrik,
Vielen Dank für Deine Zeit, mir einige Fragen im Rahmen der Blogger für HOMER zu beantworten.
Du bist mit Deinem historischen Roman Der Zorn der Flut für den HOMER Literaturpreis 2023 nominiert und stehst auf der Shortlist der besten Romane im Jahr 2022.
Was war Dein erster Gedanke, als Du von der Nominierung erfahren hast?
Von der Nominierung habe ich auf Instagram erfahren, als ich gerade im Zug zur Leipziger Buchmesse saß. Zunächst war ich vor allem überrascht, weil ich gar nicht wusste, dass der Roman überhaupt im Rennen ist. Und dann habe ich mich natürlich riesig gefreut, und die Nachricht hat mir den anstrengenden Anreise-Tag sehr versüßt. Das war schön!
Wie kamst Du auf das Thema für den Roman? Hast Du da einen besonderen Bezug dazu?
Als Autor historischer Romane möchte ich insbesondere norddeutsche Themen bearbeiten – einfach weil ich selber Norddeutscher bin und mich dadurch (hoffentlich) gut einfühlen kann. Dabei versuche ich, interessante Orte und Epochen im Norden jeweils schlaglichtartig zu beleuchten. Die Idee, etwas zur versunkenen Stadt Rungholt und der Groten Mandränke zu machen, ergab sich in Zusammenarbeit mit meiner Lektorin bei Rowohlt, weil das Thema natürlich sehr schön in dieses Schema fällt. Also habe ich mich eingelesen, und dabei habe ich mich dann entschieden, mich nicht nur auf den dramatischen Moment dieser schrecklichen Flut zu konzentrieren, sondern insbesondere auch deren Nachspiel und die Umbrüche im Leben der Betroffenen in den Fokus zu nehmen.
Wie gestalteten sich die Recherchen zu dem Roman?
Für gewöhnlich recherchiere ich historische Romane auf zwei Ebenen: Zum einen besorge ich mir Literatur zum Thema und schleppe Rucksäcke voller Bücher dazu nach Hause. Die Recherche ist dann ein bisschen so, als würde ich eine Hausarbeit an der Uni vorbereiten – nur dass ich nicht das Typische an einem historischen Thema herausarbeiten muss, sondern mich auf das Extravagante und Außergewöhnliche konzentrieren darf. Das macht großen Spaß!
Zum anderen versuche ich auch, mich am Ort des Geschehens umzusehen und mit Expert*innen Kontakt aufzunehmen, um Stimmungen in mich aufzusaugen und mich zu den Details beraten zu lassen. „Der Zorn der Flut“ ist allerdings mitten in der Hochphase der Pandemie entstanden, sodass ich dieses konkrete Buch vor allem über die Literatur recherchiert habe.
Meine Lieblingsbibliothek für Recherchen ist übrigens die Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Es gibt keinen schöneren Ort für Nachforschungen über das Mittelalter und die Frühneuzeit!
Wie nah ist Deine Geschichte an den historischen Fakten?
Das mit den historischen Fakten ist ja so eine Sache – letztendlich blickt man immer durch eine gewisse Brille aus Interpretationen und kulturellen Gegebenheiten auf die Vergangenheit zurück. Ein historischer Roman sagt mindestens genauso viel über seine eigene Zeit aus wie über die Zeit, über die in der Geschichte berichtet wird.
Konkret habe ich in „Der Zorn der Flut“ die Ergebnisse der Nordfriesland-Archäologie und andere Quellen als Grundlage genommen, um das Setting des Romanes zu gestalten und Details wie z.B. die Gegenstände des täglichen Lebens oder die Gewinnung von Salztorf möglichst anschaulich zu beschreiben. Um diese historische Basis herum habe ich dann eine Fiktion mit ausgedachten Charakteren gesponnen. Zum Teil habe ich dabei auch Aspekte aus der sagenhaften Überlieferung um die versunkene Stadt Rungholt einfließen lassen, die zwar nicht historisch sind, aber unser Bild von diesem Ort geprägt haben. So etwas erkläre ich in der Regel im Nachwort, damit die Leser*innen nachvollziehen können, wo ich den Quellen folge und wo ich mir künstlerische Freiheiten genommen habe.
Zur Rungholt- Archäologie gab es jüngst neue Entwicklungen. Magst Du davon berichten?
Ja, das ist wirklich interessant! Archäolog*innen haben im Wattenmeer vor Nordfriesland Überreste von mehreren Warften, also Siedlungshügeln, aus dem Mittelalter entdeckt, darunter auch die Fundamente einer größeren Kirche. Wahrscheinlich handelt es sich um den Ortskern jener Siedlung, die wir heute als das versunkene Rungholt kennen. Ich verfolge die Entwicklungen interessiert und bin sehr gespannt auf weitere Ergebnisse! Zumindest bislang widersprechen die Funde glücklicherweise noch nicht der Darstellung im Buch …
Planst Du daraus einen weiteren Roman zu schreiben?
Bei meinen historischen Romanen springe ich gerne im Norden und suche mir immer andere spannende Orte und Umbruchszeiten. Darum orientiere ich mich für das nächste Buch in eine neue Richtung. Auch dieser historische Roman wird zwar im Norden spielen, allerdings deutlich weiter südlich und in bergigerem Gelände. Details darf ich leider noch nicht verraten.
Du schreibst nicht nur historische Romane, sondern auch Fantasy und Kinderbücher. Wie kam es zu diesem breitgefächerten Gebiet und welches ist Dein Lieblingsgenre?
Ich sage immer gerne, dass ich historische und fantastische Stoffe für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gestalte. Das fasst meine Interessen ganz gut zusammen.
Begonnen habe ich ursprünglich mit der Fantasy, wobei ich aber schon immer gerne historische Details und Hintergründe in die Fiktion habe einfließen lassen. An die Kinderbücher habe ich mich erst relativ spät herangetraut, weil ich großen Respekt vor dieser Gattung habe. Ich dachte früher, man müsste eine besonders weise Persönlichkeit wie Astrid Lindgren oder Michael Ende sein, um für Kinder schreiben zu können. Inzwischen fühle ich mich aber gerade in diesem Genre besonders wohl, und es war sehr hilfreich für meinen Stil, für Kinder als Zielpublikum zu schreiben. Gedrechselte Schwurbeleien haben in Kinderbüchern nichts zu suchen – und das trägt auch dazu bei, dass mein Stil in der Erwachsenenliteratur klarer und präziser wird.
Ich bin jedenfalls sehr froh und dankbar, in verschiedenen Genres schreiben zu können – dadurch erschließe ich mir immer wieder neue Themen und Perspektiven.
Wie sieht bei Dir ein normaler Tag aus?
Mein Tagesablauf als Autor folgt dem Rhythmus unseres Familienlebens mit vier Kindern: Nachdem sich morgens alle fertiggemacht haben und Richtung Schule aufgebrochen sind, bleibe ich allein im Haus zurück und habe den Vormittag als Hauptarbeitszeit für das Schreiben vor mir. Wenn dann am Nachmittag die Familie wieder eintröpfelt, ist eher Zeit für Kinder und Haushalt angesagt. Am Abend dann, sobald es im Haus ruhiger wird, finde ich noch etwas Zeit zum Schreiben – wenn die Tagesform es noch zulässt. Insgesamt kommt das glücklicherweise auch meinem Biorhythmus entgegen: Ich bin vormittags und abends am fittesten und hänge am Nachmittag etwas durch, da passt das gut.
Vielen Dank für Deine Zeit, die interessanten Antworten und Einblicke in das Leben von Hendrik Lambertus.
Hendrik Lambertus wurde am 22. Februar 1979 in Hannover als Hendrik Braesch geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Schreibcoach. Er studierte Skandinavistik, ältere Germanistik und Indologie an der Universität Tübingen, wo er mit einer Arbeit über die spätmittelalterliche Literatur Islands promovierte. Mit seiner Frau und seinen vier Kindern lebt er in der Nähe von Bremen und betreibt dort eine Schreibwerkstatt.
Hauptsächlich schreibt der Autor phantastische und historische Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Sein Debüt Zwillingsblut 1: Der Kampf der Zwerge, das 2018 bei Bastei Lübbe erschien, wurde für den Phantastik-Literaturpreis SERAPH nominiert. Mit seinem historischen Roman Der Zorn der Flut wurde er für den HOMER-Literaturpreis 2023 nominiert.
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Interessante Hintergründe für ein interessantes und sicherlich spannendes Buch.
Viele Grüße vom Bücherjungen