Lieber Wolfgang,
zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst und mir zu einem Interview bereitstehst. Dein aktueller Krimi „Geheimnisse, Lügen und andere Währungen“ wird als Ministeriums Krimi betitelt.
Wie kamst Du auf die Idee für den Krimi? Hattest Du besondere Inspirationen oder Vorbilder?
Als ich nach 25 Jahren im Journalismus Kommunikationschef in einem Bundesministerium wurde, tauchte ich in eine für mich fremde Welt: Unterschriftenmappen, Aktenvermerke, Gesetzesentwürfe, exotische Marathonbegriffe wie Planungsbeschleunigungsgesetz oder Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz und nicht zuletzt opernhafte Titel wie Ministerialdirigent – genau dieser Titel war übrigens auf meiner Visitenkarte zu lesen. Schon nach wenigen Wochen kam mir die Idee, meine Eindrücke irgendwann literarisch zu verarbeiten und einen satirischen Ministeriumskrimi zu schreiben. Mir war von Anfang an wichtig, skurrile Elemente einzubauen wie etwa die Sushi-Fressfolter. Auf die hat mich übrigens ein Kollege beim Mittagessen gebracht. Er sagte: „Zum Glück gibt es bei uns in der Ministeriumskantine nie Sushi, das wäre die reinste Folter für mich.“
Im Buch werden viele reale Personen erwähnt, warum hast Du gerade diese ausgewählt und woher kam grundsätzlich der Gedanke, das Buch nicht rein fiktiv zu schreiben?
Die Hauptpersonen in meinem Kriminalroman sind alle fiktiv, darum steht bereits im Vorwort: „Diese Geschichte ist ebenso wahr wie die Lebensläufe von Abgeordneten. Die handelnden Personen existieren tatsächlich – in der Halluzination des Autors.“ Aber ich wollte den fiktiven Erzählstrang mit politischen Episoden aus der Wirklichkeit verweben, weil die Realität oft verrückter ist als die Satire. Ich will hier nur ein Beispiel nennen: Ein Mitarbeiter des über sich selbst gestürzten österreichischen Wunderwuzzi-Kanzlers Sebastian Kurz sucht persönlich einen Standort der Firma Reisswolf auf, um dort unter falschem Namen fünf Festplatten vernichten zu lassen. Danach stiehlt er sich traurigerweise davon, ohne die Rechnung – 76 Euro und 45 Cent – zu begleichen, blöderweise hat er die korrekte Telefonnummer angegeben, die direkt ins Kanzleramt führt, unglücklicherweise erkennen Reisswolf-Angestellte den Kurz-Vertrauten, als er im Fernsehen hinter dem Politiker zu sehen ist, bedauerlicherweise wird den Medien ein Überwachungsvideo zugespielt, das den Kurz-Spezi vor einer Schreddermaschine zeigt, unseligerweise füllt der „Schredder- Skandal“ daraufhin sämtliche Titelseiten – die totale Vernichtung. Du siehst, liebe Carmen: Die besten und irrsten Geschichten schreibt das Leben. Auf diesen herrlichen Fundus der Realpolitik wollte ich nicht verzichten.
Spielen eigene Erfahrungen bei Deinem Krimi eine Rolle?
Bei der Entwicklung der Figuren hat mir meine langjährige Reporterzeit geholfen, in der ich in de unterschiedlichsten Ländern die unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Figuren getroffen habe. Ich bin eigentlich vor allem deshalb Journalist und jetzt Autor geworden, weil mich Menschen interessieren.
Wie kamst Du generell zum Schreiben?
Mein Roman ist, so klischeehaft das jetzt klingen mag, die Erfüllung eines Kindheitstraums. Als sieben-oder achtjähriger Schüler musste ich einen Aufsatz zum Thema „Was ich in meinem Leben unbedingt machen möchte“ verfassen. Meine Worte damals: „Ich will einmal ein spannendes Buch schreiben mit ganz vielen Seiten.“ Während meines Germanistikstudiums habe ich lange überlegt, ob ich Schriftsteller oder Journalist werden soll, ich entschied mich dann für den Journalismus.
Könntest Du Dir vorstellen auch in einem anderen Genre aktiv zu werden?
Auf jeden Fall. Ich bin großer „Stranger Things“-Fan. Science-Fiction-Mystery finde ich beispielsweise ein spannendes Genre.
Was ist bis jetzt der schönste Moment in Deiner bisherigen Zeit als Autor gewesen?
Die schönsten Momente waren die Buchpräsentationen in Berlin mit „Tagesthemen“-Chef Helge Fuhst und in Wien mit Kai Diekmann. Ich las – als Kommissar André Heidergott – verkleidet aus meinem Buch. Es war für mich ein Gefühl des Glücks zu erleben, dass der satirische Ministeriumskrimi bei den Zuhörerinnen und Zuhörern ankommt. Das war die Belohnung für die vielen durchgeschriebenen Nächte.
Und zu guter Letzt: Wann kommt das nächste Buch bzw. an was arbeitest Du gerade?
Kommissar André Heidergott wird weiter im Beriner Regierungsviertel ermitteln. Mein Verlag hat mir bereits den Vertrag für den nächsten Krimi vorgelegt, der voraussichtlich Ende 2025 erscheinen soll.
Lieber Wolfgang, vielen Dank für das interessante Interview.
Wolfgang Ainetter
Wolfgang Ainetter, oder wie die „Tagesschau“ ihn nennt: „der studierte Psychologe mit seinem dezenten Wiener Schmäh“, war Kommunikationschef im deutschen Bundesverkehrsministerium. Als ehemaliger Ministersprecher kennt er sich im politischen Berlin bestens aus. Davor arbeitete Ainetter 25 Jahre lang als Journalist, unter anderem als Chefredakteur und Nachrichten-Chef.