Interview mit Barbara Imgrund

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Barbara Imgrund Foto: Barbara Imgrund

Liebe Barbara,

zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst und mir zu einem Interview bereitstehst. Wir haben uns auf der Frankfurter Buchmesse getroffen und Du hattest Dein neustes Buch „Räuberleiter: Eine Stadt sucht ein Kind“ dabei.  Magst Du kurz erzählen, um was es in dem Krimi geht?

Sehr gern, liebe Carmen. In meinem Krimi verschwindet ein kleiner Junge. Niemand weiß, wer er ist. Niemand weiß, wo er ist. Kriminalhauptkommissarin Floralie Buchta löst eine Öffentlichkeitsfahndung aus, doch sie ahnt, dass sie die Nadel im Heuhaufen sucht, und hat wenig Hoffnung, Robbie rechtzeitig zu finden. Denn der Tag, an dem Räuberleiter spielt, ist ein sehr heißer Sommertag, und es ist nicht sicher, ob Robbie Zugang zu Wasser und Nahrung hat. Da passiert etwas völlig Unerhörtes: Die ganze Stadt, die wie immer wegschauen könnte, tut es diesmal nicht – in Scharen ziehen die Menschen los, den Kleinen zu retten. Nur leider machen sich auch ein paar zwielichtige Gestalten mit kriminellen Absichten auf den Weg zu Robbie, um sich etwas, das ihnen gehört, aus seiner Wohnung zurückzuholen … Und so beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.

In welcher Region spielt die Geschichte und wie kam zu der Auswahl des Ortes? Verbindet Dich etwas damit?

Räuberleiter spielt in einer nicht näher bezeichneten Großstadt. Ich habe dieser Stadt bewusst keinen Namen gegeben, damit sich Leser und Leserinnen aus allen Regionen angesprochen fühlen können. Das war mir wichtig, da ich wollte, dass meine Botschaft möglichst breit ankommt.
Allerdings gebe ich zu, dass ich „undercover“ München im Sinn hatte, wo ich selbst zwölf Jahre lang gelebt habe. Das Viertel, in dem Robbie lebt, ist in meinem Buch der Hasenberg, in München heißt das real existierende Vorbild Hasenbergl. Ich hätte das Buch problemlos an die bayerische Landeshauptstadt anpassen können, wenn ein Verlag das gewollt hätte. Aber so, wie es jetzt ist, war es mir wie gesagt von Anfang an lieber. Ich bin dem Ulrike Helmer Verlag sehr dankbar, dass er da mitgegangen ist.

Wie sehen Deine Recherchearbeiten aus? Läufst du die Wege Deiner Protagonisten ab?

In diesem Fall habe ich zunächst Google Earth bemüht und bin dann alles noch einmal abgefahren und abgegangen, denn für den Fall, dass ein Verlag das Buch gern in München hätte spielen lassen, musste es ja stimmig sein. Anderes Wissen, zum Beispiel aus dem Bereich der Medizin oder der Polizeiarbeit, recherchiere ich im Netz oder gegebenenfalls in Bibliotheken und „am lebenden Objekt“, sprich ich suche mir Experten. Bei Räuberleiter waren das etwa ein Beamter aus dem Polizeipräsidium Mannheim, eine Notärztin, eine ehemalige Komapatientin und die Mutter eines autistischen Kindes. Sie alle nahmen sich Zeit für meine Fragen und gaben mir bereitwillig Auskunft, das fand ich ganz wunderbar.

Du bist mit Deiner Hündin Mali als Besuchshund in Hospizen unterwegs. Magst Du davon berichten?

Genau genommen bin ich mit Mali im Rahmen des sogenannten Besuchshundedienstes auf der Palliativstation einer Heidelberger Klinik im Einsatz; ohne Hund bin ich dann auch noch im Hospizdienst unterwegs und mache Sterbebegleitungen, ambulant zu Hause oder im Pflegeheim. Aber meine Mali kann so viel mehr als ich – sie schwänzelt sich mit ihrem Liebreiz mühelos in alle Herzen, wo ich erst mühsam Vertrauen aufbauen müsste. Wir haben deshalb auch gar kein „Programm“, wenn wir in die Krankenzimmer gehen – ich habe Leckerlis dabei, die ich den Kranken bei Interesse in die Hand drücke. Beim Füttern und Streicheln passiert es dann ganz automatisch: Das Kuschelhormon Oxytocin, aber auch Endorphine wie etwa Dopamin werden ausgeschüttet, und Krankheit und Beschwerden, Ängste und Sorgen treten zumindest kurzzeitig in den Hintergrund. Außerdem wird die Feinmotorik beim Füttern trainiert, der „frische Wind“ von draußen, den wir ins Krankenhaus bringen, wirkt motivierend, und positive Kindheitserinnerungen werden getriggert. Damit Mali sich auch mal ausruhen kann, bringe ich ein Gespräch mit den Patient:innen in Gang. Neulich hat ein Patient sogar vor Freude geweint, als Mali kam. Das hat mich berührt.

Wie kamst Du zum Schreiben? Was inspiriert Dich?

Ich wusste immer schon, dass ich schreiben wollte. Ich habe nur spät angefangen, es auch zu tun, ich war mit so viel anderem beschäftigt und traute es mir auch nicht recht zu. Den Anlass für meinen Erstling lieferte dann meine erste Namibiareise. In Namibia arbeite ich im Urlaub als Volontärin für eine Tierschutzstiftung und bin in der Wildnis unterwegs. Das macht immer wahnsinnig viel mit mir, und das konnte ich offenbar auch in meinem Buch transportieren. Ich bekam so viel Zuspruch für Wild Woman, dass ich dachte: Du kannst ja doch schreiben. Ab da habe ich fiktional geschrieben, inzwischen sind es vier Romane, und zu Beginn der Pandemie kam dann noch die Lyrik dazu. Mich inspiriert eigentlich alles, was mich bewegt oder zum Nachdenken bringt – ich versuche, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und mir meine Gedanken über die Dinge zu machen. Und irgendwann fließt es mir dann aus der Feder …

Könntest Du Dir vorstellen, auch in einem anderen Genre aktiv zu werden?

Ich „wildere“ ja schon in verschiedenen Genres und war nie auf ein bestimmtes festgelegt – ich habe ein erzählendes Sachbuch über meine Tierschutzarbeit in Namibia geschrieben, dann drei Frauen- bzw. Entwicklungsromane, einen Lyrikband, und nun bin ich mit Räuberleiter eher zufällig beim Krimi gelandet, weil es das Thema eben hergab. Meistens habe ich eine Idee, und während ich sie entwickle, schaue ich, welches Genre am geeignetsten ist. Mich interessieren zuallererst Themen und bestimmte Fragestellungen, sie stehen für mich im Vordergrund. Das Genre ist dann eher nachrangig. Aber es muss natürlich passen.

Was ist bis jetzt der schönste Moment in Deiner bisherigen Zeit als Autor gewesen?

Ich glaube, das war die Zusage von Random House, meinen Erstling Wild Woman zu veröffentlichen, relativ aus dem Nichts. Ich hatte noch nie eine Zeile veröffentlicht, sie haben mir einfach vertraut, das war schon großartig. Damit hat alles angefangen.

Und zu guter Letzt: Wann kommt das nächste Buch bzw. an was arbeitest Du gerade?

Ich habe eben meinen zweiten Lyrikband abgeschlossen, und jetzt schreibe ich an meinem fünften Roman, für den mir eben ein Stipendium bewilligt wurde. Er spielt in den Bergen, die für mich Heimat sind, und da ich immer schon mal mit einem Buch „hoch hinaus“ wollte, freue ich mich sehr, dass es jetzt so weit ist. Mehr kann ich leider noch nicht über den Inhalt verraten, da bin ich abergläubisch.

Liebe Barbara, vielen Dank für das interessante Interview und ich freue mich schon auf unser nächstes Treffen, vielleicht auch mit Mali.

Liebe Carmen, hab du vielen Dank für deine schönen Fragen – und ja, Mali würde sich freuen, dich mal kennenzulernen!

Barbara Imgrund

Barbara Imgrund, geboren im niederbayerischen Landshut und aufgewachsen in Kaufbeuren/Allgäu, arbeitete nach dem Abschluss des Germanistikstudiums in München (M.A.) einige Jahre als Lektorin in verschiedenen renommierten Münchener Verlagen. Seit 1998 ist sie selbstständig als Lektorin, Literaturübersetzerin und Autorin und engagiert sich ehrenamtlich im internationalen Tierschutz, im Hospiz- und Besuchshundedienst.

Ihre Texte beschäftigen sich häufig mit existenziellen Krisen, wie sie sie aus ihren ehrenamtlichen Einsätzen kennt, sowie mit der Frage, was passiert, wenn das Kartenhaus unseres Lebens zusammenfällt. Imgrund ist Mitglied der GEDOK Heidelberg und des Netzwerks Lyrik und hat bisher drei Romane, einen Lyrikband, ein erzählendes Sachbuch und diverse Kurztexte vorgelegt. Räuberleiter ist ihr erster Krimi. Sie lebt in Heidelberg.

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