Liebe Severn,
zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst und mir zu einem Interview bereitstehst. Dein neuer Roman „Skaidridt – Das Ende der ersten Welt“ ist am 13. September erschienen. Magst Du kurz erzählen, um was es geht?
Es handelt sich um einen sogenannten Low Fantasy-Roman im Stil von ‚The Witcher‘. Die Geschichte ist in einem Setting angesiedelt, das von Stephen Kings ‚Der dunkle Turm‘ inspiriert wurde: Quasi eben erst entstanden – oder schon kurz vor dem Untergang? – ist die namenlose Welt, in der sich die Protagonisten bewegen, voller Gefahren, Mutationen, Dämonen und Wesen des Zwielichts. In den menschenfeindlichen Ödlanden und Urwäldern lauern uralte Magie, Wahnsinn und Überreste längst vergangener Zivilisationen.
Nicht gerade eine gemütliche Umgebung. Dennoch ist eine kleine Gruppe von Abenteurern und Ausgestoßenen an diesen Orten unterwegs, um eine schier unlösbare Aufgabe zu erfüllen: Sie müssen das Schwarze Schwert finden, denn das ist die einzige Waffe, die in der Lage ist, den letzten der sogenannten Alten, einen unsterblichen Dämon, zu vernichten.
Es handelt sich um ein Low-Fantasy-Abenteuer, was versteht man darunter und wieso hast Du Dich für die Form entschieden?
Es gibt verschiedene mögliche Deutungen des Begriffs. Für mich wichtig und kennzeichnend ist vor allem, dass die typisch epischen Elemente der High Fantasy fehlen: Es gibt also keine heroischen großen Schlachten zwischen feindlichen Armeen, auch typisch gute oder typisch böse Charaktere kommen deutlich weniger vor. Die Hauptfiguren sind oft zwiespältig im Gegensatz zu den edlen und moralisch aufrichtigen Helden und Heldinnen der High Fantasy. Häufig finden sich auch Merkmale der Dark Fantasy.
Ich habe mich für diese Form entschieden, da ich zum einen bereits ein High Fantasy-Epos verfassen durfte (Die Chroniken der drei Kriege) und da ich zum anderen ein großer Fan von H. P. Lovecraft bin, der ein bekannter Vertreter dieses Subgenres ist.
Mit Paradon hast Du eine eigene Welt erschaffen. Magst Du ein wenig davon erzählen? Was macht diese Welt aus?
Dazu muss man kurz unterscheiden zwischen der Welt Paradon, wie sie im erwähnten High Fantasy-Epos vorkommt und der Welt, die ich oben geschildert habe: ‚Die Chroniken der drei Kriege‘ spielt 7000 Jahre nach ‚Skaidridt‘ – die Welt dort ist also eine deutlich zivilisiertere, es haben sich Länder gebildet, Grenzen wurden gezogen und wieder verworfen, Völker und Kulturen haben sich entwickelt, dazu eigene Sprachen und Gebräuche. Magie ist selten geworden, manche sagen, es handle sich um einen bloßen Mythos. Auch die seltsamen Kreaturen der sogenannten Ersten Welt (die Alten, Dämonen, etc.) werden als reine Fiktion angesehen. Zumindest am Anfang …
Bei ‚Skaidridt‘ ist das anders: Diese Welt ist deutlich ursprünglicher, hat noch keine feste Form und wenige Gesetze. Bis auf wenige kleine Ansiedlungen ist die Menschheit verstreut und noch nicht in festen Völkern organisiert. Magie ist allgegenwärtig, auch die Wesen des Zwielichts (geringere Dämonen) finden sich überall. Die Menschen, die in dieser Welt leben, sind deutlich härter und abgebrühter – aber auch gefährlicher – als die im späteren Paradon.
Wie kamst Du auf die Idee, diese Welt zu erschaffen?
Alles begann mit der Idee zu einer Geschichte. Das Schöne und Problematische an Geschichten ist jedoch, dass einem zu Anfang unbegrenzte Möglichkeiten offenstehen und man gar nicht weiß, wohin sich alles entwickeln soll. Um das einzudämmen, musste ich mich bewusst hinsetzen und den Kontinent ‚Paradon‘ aufs Papier bannen. Ich erschuf Länder und schrieb ihre Namen hin – ohne genau zu wissen, was für Leute dort wohnen und wie ihre Kulturen sein würden. Das entwickelte sich dann im Laufe des Schreibens.
Könntest Du Dir vorstellen, noch ein anderes Genre auszuprobieren?
Ich habe bisher drei Subgenres (High Fantasy, Urban Fantasy und Low Fantasy) ausprobiert. Ob ich auch einen Roman aus einem anderen Genre, z.B. einen Krimi, schreiben könnte? Ich weiß es nicht. Im Moment fasziniert mich kein Genre genug oder aber ich halte mich für zu wenig kompetent, um es auszuprobieren. Meiner Meinung nach könnte ich in anderen Genres nichts schreiben, was nicht schon besser geschrieben wurde. Zumindest sehe ich das aktuell so.
Wie kamst Du zum Schreiben? Was inspiriert Dich?
Ich habe schon als Kind gerne geschrieben. Als irgendwann die Zeit kam, als Spielen nicht mehr funktioniert hat, wurde das Schreiben mein Kanal für alle Kreativität. Inspiration ziehe ich aus vielen Dingen: Aus Personen, denen ich begegne, aus Filmen, Serien oder Büchern, mit denen ich konfrontiert werde, teilweise auch aus bloßen Äußerungen aus meinem Umfeld. Beispielsweise hat mein Verlobter vor kurzem während eines Berichts über seine Arbeit eine völlig beiläufige Bemerkung gemacht, durch die sich in meinem Kopf schlagartig ein neuer Plot entwickelt hat – die Arbeit an meinem neuen Manuskript konnte beginnen 😊
Was ist bis jetzt der schönste Moment in Deiner bisherigen Zeit als Autorin gewesen?
Oh, das ist schwer zu beantworten … Es gab so viele schöne Momente: Als mein erstes Manuskript von einem Verlag angenommen wurde, wenn Menschen zu mir kommen und sich über meine Geschichten auslassen oder ich Rezensionen dazu lesen, Leute, die Autogramme von mir möchten, der Moment, als das erste Hörbuch herauskam … Es gibt so viel Schönes und ich hoffe, dass noch viel mehr davon kommt.
Und zu guter Letzt: An was arbeitest Du gerade?
Im Moment arbeite ich an einem weiteren Fantasy-Buch, das in einer ganz anderen Welt und unter völlig anderen Voraussetzungen spielt. Eine grobe Idee habe ich schon, aber wie es sich genau entwickeln wird, darauf bin ich wohl selbst am meisten gespannt.
Liebe Severn, vielen Dank für das interessante Interview.
S. A. Lee
S. A. Lee wurde im Kanton Zürich in der Schweiz geboren und hat zunächst eine kaufmännische Lehre absolviert. Später studierte sie lateinische Philologie und deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft und schloss ergänzend das Höhere Lehramt ab. 2017 erschien ihr erster Roman im Aavaa-Verlag. Nach kurzer Zeit wurde sie von der Eisermann-Verlagsgruppe übernommen und hat seither sieben weitere Romane herausgebracht.
In ihrer Freizeit geht S. A. Lee gerne reiten, schwimmen und spazieren und verbringt viel Zeit mit Lesen oder als TV-Junkie. Kino oder gemütliches Essen mit Freunden würde sie wilden Partys jederzeit vorziehen.