
Foto: Kerstin Rachfahl
Liebe Kerstin,
zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst und mir zu einem Interview bereitstehst. Dein neuster Krimi „Ein Fall für Feline: Verfahren“ ist vor kurzem erschienen. Magst Du erzählen, um was es geht?
Sehr gerne liebe Carmen. Fee ist Ohrzeugin eines Autounfalls, doch jede Hilfe für den Fahrer kommt zu spät. Eigentlich ein klarer Fall, doch dann bittet sie ihre Polizistin Freundin sie um Hilfe, sie bei der Überbringung der Nachricht an die Witwe zu unterstützen. Fee ist von Beruf Rettungssanitäterin, hat später Psychologie studiert und war bis zum Tod ihrer Schwester in Krisengebieten mit ihrem Rettungshund unterwegs. Tja, doch statt einer trauernden Witwe, lässt diese die Champagner Korken knallen und das wirft Fragen auf.
Es ist der zweite Band in der Reihe. Neben einem Kriminalfall geht es auch darum, wie sich Feline in ihrer neuen Rolle als 1-Jahr Ersatzmutter für ihre Nichte Viola in einer sauerländischen Kleinstadt zurechtfindet und mit dem Verlust ihrer Schwester fertig wird. Ich selbst bin 1995 an diesen Ort gezogen und dort mit meinem Mann zwei Kinder großgezogen. Dadurch fließen viele eigene Erfahrungen mit den „Ureinwohnern“ in das Buch ein. Diese menschliche Seite und die Konflikte lassen Fee mit all ihren Freundinnen und Freunden lebendig werden. Das lieben meine Fans an meinen Büchern. Natürlich gibt es auch noch eine mögliche romantische Beziehung. Was wäre ein Buch ohne die Liebe?

ASIN : B0DDCX9WSK
Sprache : Deutsch
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Neben Krimis schreibst Du auch noch Liebesromane, Thriller und Fantasyromane. Ist es schwer, zwischen den Genres zu wechseln und welches ist Dein Lieblingsgenre?
Nein gar nicht. Im Grunde ist das tragende Thema durch alle Genres die Liebe. Es gibt in allen Büchern einen romantischen Plot. Nur bei den Liebesromanen ist dieser der Handlungsstrang in der Geschichte. Ich habe kein Lieblingsgenre. Bei mir hängt es von der Stimmung ab, was ich gerade am liebsten schreibe. Bei meiner Reihe Sondereinheit Themis, kam ich in die Situation, dass mich die Realität einholte. Natasha hat russisches Blut in sich und bei der zweiten Season geht es um einen Hacker Angriff, der unsere Demokratie zerstören soll. Wer die Medien Diskussionen verfolgt, kann eigentlich herausfinden, dass viele Themen von anderen Ländern gesteuert werden und bei uns zu heftigen Konflikten führt.
Ich bin jemand, der gesellschaftliche Themen über das Schreiben von Geschichten beleuchtet und dabei verschiedene Perspektiven einnimmt. Doch das hat mich so aus der Bahn geworfen, dass ich nachts nicht mehr schlafen konnte. Als Diskussionspartnerin bin ich eine Niete. Ich schaffe es nie meine Argumente klar herauszuarbeiten. Deshalb schreibe ich Bücher. Es hilft mir jede Position besser zu verstehen.
Daher musste als nächstes ein Liebesroman und dann noch eine Liebes Trilogie her. Bei dem Fantasy Genre wiederum kann ich mich komplett aus der Realität bewegen und mir eine eigene Welt schaffen. Keine Ahnung, wieso diese bei vielen so düster ist.
Feline erlebt in „Ein Fall für Feline: Verfahren“ ihren zweiten Fall. Dürfen wir uns auf weitere Bände dieser Reihe freuen?
Auf jeden Fall. Es gibt so viel Spannendes in unserer Region zu entdecken. Die Idee zu der Reihe kam in der Corona Zeit, wo uns auf einmal junge Leute, die hier ihren Urlaub verbrachten, regelrecht überfluten. Im Winter kam es zu ewig langen Staus und die Polizei musste eingreifen. Ich bin immer neugierig und spreche Menschen, denen ich begegne, an. Sie waren begeistert von der Landschaft, den sportlichen Möglichkeiten und entdeckten die frische Luft. Wieso immer Ostsee, Nordsee oder Bayern, dachte ich. Lass deine Liebe für deine Wahlheimat in eine Krimireihe einfließen und vielleicht entdecken noch mehr Menschen wie schön unsere Heimat ist. Ich schrieb eine Liste. Auf der einen Seite kamen Begriffe, die mit der Vorsilbe „Ver“ beginnen und auf den anderen Besonderheiten in unserer Region. Zack hatte ich zwanzig Titel zusammen. Also die Luft für mehr ist locker da.
Der bestimmende Faktor ist die Leserschaft. Ohne begeisterte Fans für die Reihe, kann sie nicht fortbestehen. Ich hatte die Idee zuerst einem Verlag angeboten, der mir zurückschrieb, dass das Sauerland als Handlungsort für Krimis keine große Leserschaft für sich gewinnen kann. Also habe ich entschieden es selbst zu veröffentlichen. Ich war bereit das Risiko einzugehen. Wir werden sehen, ob sich mein Mut rechnet.
Der nächste Band der Reihe, mit dem Titel: Verspielt, nimmt unsere Freilichtbühne in den Fokus. Wir haben lange Jahre als Familie mitgespielt und nächstes Jahr stehe ich wieder mit meinem Mann im Kinderstück auf der Bühne. Ein tolles Hobby, das mir als empathischer Mensch hilft, in verschiedene Rollen zu schlüpfen und es innerlich zu spüren, was da in mir passiert. Sei es als Prostituierte in Les Misérables oder als tückische Schlange Ka im Dschungelbuch oder meine bisherige Paraderolle, die böse Stiefmutter von Schneewittchen. Da hatte sogar am Ende mein Mann Angst vor mir. Letztes Jahr spielten wir wieder bei der Passion mit und es gruselig, wenn du merkst, wie du durch die Massen selbst mitgerissen wirst und immer fanatischer schreist: „Ans Kreuz mit ihm.“
Wie sehen Deine Schreiballtag aus? Hast Du bestimmte Rituale?
Am liebsten würde ich mich zum Schreiben irgendwo einigeln und nur in meiner Welt leben. Das Schwierigste ist für mich es in den Alltag zu integrieren. Ich bin gefordert in unserem IT-Unternehmen, meinen Kindern, die inzwischen Erwachsen sind und unseren Tieren. Deshalb ist es wichtig, Routinen zu entwickeln. Kreativität ist ein Muskel, den du als Autorin trainieren musst und die Kunst liegt darin für wenigstens ein paar Stunden in einen kreativen Flow zu kommen.
Früher als meine Kinder noch klein waren schrieb ich zwischen vier Uhr morgens und sechs Uhr, da begann mein normaler Tag. Später kam der Freitagabend hinzu, wo wir in die Sauna gingen. Wenn ich Glück hatte, schaffte ich auch noch ein paar Stunden abends. Doch irgendwann ist der Akku leer.
Grundsätzlich kann ich meinen Arbeitsalltag inzwischen selbst bestimmen und meine Zeiten plane. Da ich weiß, wie ich ticke, arbeite ich heute erst meine E-Mails ab, plane den Tag und schreibe zwischen zehn und zwölf Uhr. Wenn das nicht geht, dann zwischen zwei und vier Uhr am Nachmittag. Das ist der Plan und dann kommt das Leben dazwischen. Vielleicht probiere ich es doch irgendwann mal aus mich für zwei Wochen aus dem Alltag zu klinken und durchzuschreiben. Ich weiß nur nicht, ob ich es kann. Der Wechsel zwischen den Aufgaben hilft mir auch, dass ich unterschiedliche Gehirnregionen aktiviere. So kann sich jede wieder erholen.
Ich beschäftig mich viel mit dem Thema. Das Buch von Dr. Volker Busch Kopf frei, war da sehr inspirierend. Ich bin selbst ausgebildete Trainer und Prozessbegleiterin, da wir in der IT viel mit Veränderungsprozessen beschäftig sind und dass eine große Herausforderung darstellt. Anderen kann ich Tipps geben. Mir selbst fällt es schwer sie zu befolgen.
Wie kamst Du zum Schreiben? Was inspiriert Dich?
Bei der Geburt unseres zweiten Kindes erkannte mein Mann, dass ich eine Auszeit für mich brauchte. Ich bin jemand der für alle da ist und nur schwer Aufgaben abgeben kann. Um Hilfe zu bitten ist ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem kommt da noch eine perfektionistische Ader hinzu, die es mir schwer macht Arbeiten abzugeben. Er sagte geh in einen Wellnessurlaub und finde heraus, wie du wieder lernst deine Bedürfnisse wahrzunehmen und Grenzen zu setzen. Daran arbeite ich bis heute. Doch Wellness war so gar nichts für mich. Ich stolperte über einen Drei-Tages-Kurs von Professor Otto Kruse in Erfurt zum Thema die Kunst des Erzählens. Das sprach mich als Leseratte direkt an. Ich führe sporadisch Tagebuch und ich dachte, wenn ich eine Erzählperspektive einnehme, hilft es mir mich aus der Distanz zu betrachten. In Wahrheit gab es einen tiefen inneren Traum in mir, ein Buch zu schreiben und über Nacht berühmt zu sein. Aber in meinen dicht gepackten Alltag gab es keinen Platz für solche Eskapaden. Als Otto in der Runde fragte, was wir von diesem verlängerten Wochenende erwarten, sagte ich: „Ich möchte wissen, ob ich das Talent besitze, eines Tages eine berühmte Autorin zu sein.“ – Ein Schmunzeln. „Tut mir leid, die Antwort auf diese Frage kannst du dir nur selbst geben.“
Es war ein Wochenende, was in mir eine Tür aufschloss, die mein rationaler Verstand vor langer Zeit verbarrikadiert hatte. Wieso? Weil ich Angst hatte mich in meiner Fantasie zu verlieren und nicht in der Lage zu sein für meine Familie dazu sein. Damit verlor ich den Zugriff auf meine innere Kraftquelle und nachdem ich wieder diesen Teil in meinem Leben zuließ, bekam ich meine Energie zurück. Das Schreiben wurde für mich die tägliche Auszeit, wo ich jeden Gedanken zulassen und es durchspielen konnte. Was wäre wenn… Das sind die Worte für den Start, der mich zeigt, was meine Werte sind, für was ich stehe und was mir im Leben wichtig ist. Das daraus am Ende der erste Pferderoman entstand, war auch für mich überraschend. Meine Pferde habe mich über 28 Jahre durch das Leben getragen und geerdet, so wie mich unsere Hunde treu begleiten.
Erst bot ich das Manuskript einem Verlag an, bei dem ich glaubte, dass es in ihr Portfolio passt. Mein Mann schüttelte nur den Kopf. Wieso glaubst du nicht an dich? Du hast das IT-Wissen, um es selbst in die Hand zu nehmen. Du bist seit 1991 mit mir selbstständig, verfügst über das betriebswirtschaftliche Wissen und warst als Controllerin in einem Verlag tätig. Du brauchst niemanden dafür. Irgendwann kam das Manuskript zurück mit einer Standardabsage von einem anderen Verlag. Verblüfft schaute ich nach und stellte fest, dass beide zu selben Gruppe gehörten.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass Amazon in Deutschland seine Plattform Kindle Direct Publishing (KDP) öffne darf. Ich krempelte die Ärmel hoch, sprach einen Lektor an, den ich bei einer Fortbildung her kannte und nahm das unternehmerische Risiko selbst in die Hand.
Ich bin eine unglaublich neugierige Person. Menschen faszinieren mich. Ich sehe sie. Überall begegnen mir Geschichten. Sei es in Berlin, wo eine junge Frau einen Staubsauger über den Bürgersteig zieht. Ich lächle ihr zu und sage: „Ein ungewöhnliches Gepäckstück.“ Sie hält an, erwidert mein Lächeln und antwortete. „Seit Wochen ziehe ich den Staubsauger von meiner Wohnung zu der meiner Eltern. Sie sind die erste, die mich darauf ansprechen.“ Schon ist da die nächste Idee für eine Geschichte.
Was ist bis jetzt der schönste Moment in Deiner bisherigen Zeit als Autorin gewesen?
Ich liebe meine Geschichten, meine Figuren und ich weiß nie, was am Ende passiert, wenn ich das Buch veröffentliche. Mögen es andere?
Die schönsten Momente waren die Begegnungen mit Leserinnen, deren Leben ich tatsächlich mit meinen Geschichten berühren auf eine Art und Weise, die ihnen half, ihr eigenes aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Noch heute bekomme ich eine Gänsehaut und mir kommen die Tränen, wenn ich an diese Begegnungen denke. Gleichzeitig hat es mich gebremst, weil es mir bewusst gemacht hat, welche Verantwortung ich als Autorin trage. Meine Frauen bekommen ihr Leben selbst in den Griff. Sie brauchen keinen Prinzen, der sie rettet. Sie erleiden Verletzungen, erleben ein Trauma, doch sie finden am Ende ihren Weg zurück ins Leben, oder entdecken ihn. Es sind reine Unterhaltungsromane, doch auch damit kannst du das Leben anderer berühren. Deshalb sind mir meine Fans so nahe ohne sie gäbe es meine Geschichten nicht.
Und zu guter Letzt: An was arbeitest Du gerade?
Aktuell schreibe ich für meine Kolleginnen einen Finanzbericht von meiner Selbstständigkeit seit 2011. In einem Blogpost habe ich meine Zahlen aus der Finanzbuchhaltung veröffentlicht, doch nur die Zahlen von Umsatz, Kosten und Verdienst oder Verlust, helfen nicht zu verstehen, welche Erkenntnisse sich dahinter verbergen. Ich liebe Zahlen und ja sogar in ihnen steckt eine Geschichte, nämlich meine.
Mich ärgert es maßlos wie viele andere Unternehmen oder Solo-Selbstständige an unserer Hoffnung mitverdienen. In der Corona Zeit gab es für uns nur Unterstützung für die ausgefallenen Lesungen. Mehr nicht. Klar, wurden unsere Bücher gelesen, doch gerade bei Verlagsautorinnen brach einiges zusammen. Sie hatten darauf keinen Einfluss und gestern erst habe ich erfahren, dass sich die Vorschüsse für die Verlags-Autorenschaft halbiert hat oder gar keine mehr bezahlt werden. Wir leisten einen wichtigen kulturellen Beitrag. Geschichten gehören zu uns Menschen und wurden von Anbeginn der Zeit erzählt. Nicht nur zur Unterhaltung, sondern um Wissen weiterzugeben oder gesellschaftliche Regeln zu vermitteln. Doch wir sind die letzten in der Kette, die für ihre Arbeit bezahlt werden und die ersten bei denen eingespart wird.
Mein Ziel ist es, das Autorinnen endlich verstehen, dass sie einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten und ohne uns viele Menschen ohne einen Job auf der Straße ständen. Unsere Branche trägt mehr zum Bruttosozialprodukt bei als die Automobilbranche. Aber hörst du uns jammern, dass wir mehr Fördermittel bräuchten? Dass mehr Straßen gebaut, kein Tempolimit und am besten der Verbrenner für alle Zeiten gekauft werden soll, indem Unternehmen subventioniert werden? Wir passen uns an. Wir sind bereit die Verantwortung und das Risko für unsere Selbstständigkeit zu übernehmen. Ich möchte, dass meine Kolleginnen sich auf die Schulter klopfen und auf Augenhöhe mit ihren Partnern verhandeln.
Puh sorry, doch das treibt mich gerade um. Vor allem durch die technischen Entwicklungen. Jeder glaubt eine Software könnte unsere Kreativität ersetzen. In Wahrheit brauchen wir diese Eigenschaft für die Herausforderungen unserer Zeit. Doch wie gesagt ist Kreativität ein Muskel und wenn wir ihn nicht trainieren, verkümmert er. Ich liebe unser Jahrhundert, das uns als Mensch fordert und ich bin gespannt, welche Lösungen wir finden.
Liebe Kerstin, vielen Dank für das interessante Interview.
Kerstin Rachfahl
Romantische und spannende Romane mit Happy-End, so lassen sich die Bücher von Kerstin Rachfahl am besten umschreiben. Die Leidenschaft zum Schreiben entdeckt sie erst spät. Als Mitinhaberin eines IT-Unternehmens und Mutter zweier Kinder blieb ihr keine Zeit für andere Abenteuer. Um wenigstens für ein paar Momente ihrem Alltag zu entfliehen, tauchte sie ein in eine Welt der Fantasie und kam jedes Mal mit frischem Elan in die Realität zurück. 2011 veröffentlichte sie ihren ersten Pferderoman: Duke – ein weiter Weg zurück. Seit dem kann sie sich ein Leben ohne Schreiben und ihre Fans, die ihre Liebe zu den Figuren ihrer Romane teilen, nicht mehr vorstellen. Mehr über die Autorin, ihre Romane und Figuren erfahrt Ihr auf ihrem Autorenblog: kerstin-rachfahl.de.