Interview mit Martina Pahr

Martina Pahr
Foto: Martina Pahr

Liebe Martina,

zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst und mir zu einem Interview bereitstehst. Heute erscheint Dein neuer Krimi „Wer die Kohlmeise stört“. Magst Du kurz erzählen, um was es geht?

Sehr gern! Es ist wieder ein humorvoller „cosy crime“ Schrebergartenkrimi. Nach den Ereignissen im Vorjahr hat sich die Belegung in der Kleingartenanlage deutlich verjüngt. Und wo  eine Handvoll junger Leute zusammenkommt, gibt es Feiern, Beziehungen, in diesem Fall auch Business … aber Eifersucht, Gier oder Verrat vielleicht ebenso? Denn im Herbst, zum Ende des Gartenjahres, stirbt der attraktive Heilpraktiker Sebastian an einer allergischen Reaktion nach dem Stich einer Biene. Die alte, scharfsinnige Friedl glaubt aber nicht, dass es sich tatsächlich um einen Unfall mit tötlichen Folgen für den Allergiker gehandelt hat, und überzeugt Protagonistin Valentina und deren beste Freundin, die Lerche, ihr bei den Ermittlungen zur Hand zu gehen. Die drei Schreber-Sherlocks stellen fest, dass fast jede und jeder in ihrer Ecke des Gartens ein gutes Motiv hatte, Sebastian aus dem Weg zu schaffen. Es taucht noch eine unbekannte dunkle Gestalt auf, die in der Anlage ein und aus geht. Unsere Damen bleiben dran und stellen sich jedem noch so unangenehmen Gespräch und jeder ungeschickter Konfrontation, bis Friedl  den Fall knacken kann.

Wer die Kohlmeise stört – Martina Pahr
Herausgeber ‏ : ‎ Emons Verlag (22. Mai 2025)
Sprache ‏ : ‎ Deutsch
Taschenbuch ‏ : ‎ 256 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3740824271
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3740824273

Als leidenschaftliche Schrebergärtnerin bekommst Du bestimmt auch viel in der Kleinanlage mit. Verarbeitest Du davon auch etwas in deinem Buch oder versuchst Du das eher strikt zu trennen?

Mich fasziniert dieser Mikrokosmos, wo sich viele Menschen begegnen, die außer einem Garten gar keine Gemeinsamkeiten haben. Ich hole mir tatsächlich sehr viele Anregungen aus der Anlage – aber ich verfremde auch viel und übernehme nichts eins zu eins. Stricke die Leute um, damit sich niemand wiedererkennt und  zur Rache Nacktschnecken auf meinen Beeten aussetzt 😉 Aber die Dynamiken, das Miteinander, wie und was übereinander getratscht wird – das basiert alles auf dem, was ich mitbekommen habe. Darunter übrigens auch einige wirklich dunkle Geschichten, die ich gar nicht verwerten mag, weil sie zu bitter sind …

 

Als „Mörderische Schwester“ bist Du viel im Krimi-Genre unterwegs. Welche anderen Genres interessieren dich?

Ich mag epische Bücher, die eigene Welten in unserer entstehen lassen, sehr gern humorvolle Bücher und auch Fantastisches – aber nicht unbedingt reine Fantasy. Beim Lesen liebe ich es, wenn ich in fremde Welten entführt werde und die Grenzen des Alltags gesprengt werden. Alles, was zu realistisch ist (oder so tut, als ob), schreckt mich eher ab. Mit Polit Thrillern und Liebesromanen kann man mich jagen.

Wie sieht Dein Schreiballtag aus? Hast Du bestimmte Rituale?

Regelmäßigkeit ist der Schlüssel. Ich betrachte das Schreiben als Handwerk und kann es mir nicht leisten, auf den Musenkuss zu warten! Da halte ich es mit Somerset Maugham, der sagte: „Ich schreibe nur dann, wenn die Muse mich küsst. Zum Glück küsst sie mich jeden Morgen um Punkt 9 Uhr.“ Bei mir etwas früher: Ich versuche, die Zeiten von 8 bis 12 Uhr morgens einzuhalten und konzentriert zu arbeiten. Das ist meine beste Schreibzeit, und wenn es läuft, dann bin ich im Glück. Ich schreibe nicht chronologisch: Wenn es mal nicht vorangeht mit der Handlung, arbeite ich an einem Dialog oder beschreibe ein Setting, eine Person. Irgendwas gibt es immer zu schreiben. Im Idealfall les ich mir abends dann das Geschriebene durch und korrigiere. Inzwischen habe ich übrigens auch gelernt, dass meine „unproduktiven“ Arbeitspausen in Wahrheit auch zur Arbeitszeit gehören – nur dass dann das Unbewusste arbeitet. Wenn ich mich  nach solchen Pausen wieder an den Text setze, haben sich einige Fragen, die beim Schreiben immer entstehen, oft innerlich bereits beantwortet. Schlichtweg genial!

Was ist schwieriger zu schreiben? Der erste oder der letzte Satz?

Eindeutig der Letzte! Wenn ich den ersten Satz habe, dann ist das Buch quasi schon geschrieben, denn dann bleib ich dran. Ich steige gern mitten in der Handlung ein, mit wörtlicher Rede oder mitten in einer Szene. Der letzte Satz, der alles rund abschließt, ist da schon etwas herausfordender. Und auch wehmütiger zu schreiben, denn dann ist mein Ausflug in diese meine eigene kleine Welt vorbei.

Wie kamst Du zum Schreiben? Was inspiriert Dich?

Ich wusste schon mit 13, dass ich einmal vom Schreiben leben will. Es hat allerdings sehr lange gedauert, bis ich mir das auch zugetraut habe. Es ist tatsächlich so, dass man mit jedem Wort, das man schreibt, mehr und mehr lernt; irgendwann sogar, dass weniger mehr ist und dass man durchaus manchmal seine Lieblinge töten muss (Kill your darlings!), wie immer empfohlen wird, damit es stimmig ist. Irgendwann war meine Sehnsucht, zu schreiben, größer als meine Hemmung, und ich habe einfach Artikel geschrieben, die ich Zeitschriften angeboten habe. Durch das Artikelschreiben habe ich sehr viel gelernt. Was mich inspiriert: Abgründe hinter dem Offensichtlichen, Kurioses, Witziges und Menschliches. Die Welt hinter unserer Alltagswelt, sozusagen. Und auch Beziehungsdynamiken zwischen Menschen „in echt“ und  meinen Figuren im Buch, die sich beinm Schreiben durchaus verselbständigen können.

 

Du hast in Heidelberg studiert, ich bin wegen meinem Mann in die Region gezogen. Entsprechend würde mich noch interessieren, ist dir von der Region oder der Zeit etwas in guter Erinnerung geblieben?

Heidelberg ist eine rundum schöne Stadt, unglaublich malerisch gelegen, was viele Dichter der Romantik ja angezogen hat: die Altstadt, der Neckar mit seinen lebhaften Ufern, der Anblick des Schlosses … die Weinberge rund um die Stadt, der Philosophenweg, die untere Straße, das „Cave“ und diverse Pubs  … das hab ich alles in bester Erinnerung! Wenn ich an meine Zeit dort denke, ist immer Frühling, Sommer oder goldener Herbst – den Winter blende ich einfach aus. Was ich besonders liebte: die Kioske im Neuenheimer Feld, die zur Saison Spargel und Erdbeeren verkaufen. (Gibt’s die immer noch, liebe Carmen?) Was mir bis heute von dieser Zeit geblieben ist, ist mein Patenkind Nummer eins, die erste Tochter meiner wunderbaren Latein-Crashkurs-Lehrerin. Denn in Heidelberg brauchte man zu meiner Zeit das kleine Latinum, um Germanistik zu studieren. Das hab ich mit Müh und Not  in den Semesterferien absolviert – und meine Hannah war quasi die Belohnung dafür 😉

Was ist bis jetzt der schönste Moment in Deiner bisherigen Zeit als Autorin gewesen?

Eine schwere Frage, denn da gibt es tatsächlich so viele! Die erste Antwort eines Verlages, das erste Buch in den Händen, das erste Interview, der erste (und bislang einzige) Buchpreis … aber ich glaube, die schönsten Momente sind bei mir einfach immer die Lesungen und der Kontakt zu den Menschen. Wenn ich die Rückmeldung bekomme, dass das, was ich schreibe, anderen Leuten über schwere Zeiten geholfen hat, sie erheitert oder ermuntert, dann tut das unglaublich gut. Schreiben ist ein einsamer Job, und bei Lesungen ist man dann endlich im Austausch mit den Lesenden. Das genieße ich sehr.

Und zu guter Letzt: An was arbeitest Du gerade?

Was viele nicht wissen: Ich habe sechseinhalb Jahre lang als Reiseleiterin für Rotel Tours auf der halben Welt gearbeitet, von Australien und Neuseeland über Nordindien und Europa bis hin zur Westküste der USA und Mittelamerika. Mein neues Projekt ist ein Krimi, der in dieser Szene spielt. Ein Duell zwischen einer entnervten Reiseleiterin, die schon zu lange im Job ist, und einem grantigen Kriminalhauptkommissar a.D.. Da freue ich mich sehr daran, darauf und darüber 😉

 

Liebe Martina, vielen Dank für das interessante Interview.

Martina Pahr

Martina Pahr, Jahrgang 1968, lebt vom Schreiben und in München – beides sehr gern. Nach nervenaufreibenden Jahren als Fernsehredakteurin, Reiseleiterin und PR-Frau verbringt sie nun den Winter mit ihrem Laptop in Asien und den Rest des Jahres im Schrebergarten, wenn sie nicht gerade Lesebühnen veranstaltet. Für ihren ersten Schrebergarten-Krimi »Nur die Wühlmaus war Zeuge« erhielt sie den Deutschen Gartenbuchpreis.

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