Mit einer zerbrochenen Brille fing alles an …

Mein Mann überraschte mich die Tage mit der Frage, ob ich ihn zu einer Lesung begleiten würde. Normalerweise bin ich diejenige, die diese Frage stellt, meist verbunden mit der Bitte, dass er zeitgleich als mein Fotograf fungiert. Dieses Mal also umgekehrt?

Sagen wir fast, denn schreiben, sollte ich dennoch. Doch worüber?

Über die Lesung mit Talk – eine Lebensrevue mit Ulli Potofski und Wolfgang Bosbach.

Potofski? Als versierter Let´s dance-Zuschauer klingelte bei mir da ein Glöckchen und auch der Name Bosbach ließ sich mit dieser Show verbinden, nahm doch die Tochter von Wolfgang Bosbach 2022 daran teil.

Jedoch kennt man Wolfgang Bosbach vielmehr aus der Politik, wo der gelernte Rechtsanwalt bis 2017 noch Mitglied des Bundestages war. Auch Ulli Potofski dürfte vielen eher als Sportreporter oder jüngeren Generationen als Kinder- und Jugendbuchautor bekannt sein.

Diese Kombination klang für mich zumindest sehr vielversprechend und so freute ich mich auf den Abend.

Die Parkplatzsuche beim Kulturhaus Mannheim Käfertal gestaltete sich abenteuerlich. Es herrschte Unklarheit, welche Parkplätze zum Kulturhaus gehörten, welche dagegen zum benachbarten Einkaufcenter und damit zahlungspflichtig waren.

Wir waren jedoch nicht alleine bei unserer Suche. Ein weiteres Fahrzeug kurvte auf der Fläche herum und es stellte sich schnell heraus, dass es sich um Ulli Potofski handelte. Wir kamen ins Gespräch, erklärten unsere Parkplätze als die richtigen, zum Kulturhaus hinzugehörigen und überlegten, wie man seine Brille für den Abend wieder reparieren könne. Diese hatte die Anfahrt leider nicht überlebt – ein schlechtes Zeichen?

Im Kulturhaus stießen wir auf Dennis Boyette von DBO-Entertainment. Der Veranstalter des Abends begrüßte die Zuschauer nicht nur persönlich, sondern gab auch gleich einen groben Ablaufplan des Abends verbal mit auf den Weg. Und so steuerten wir zunächst den Sektempfang an. Ulli Potofski hingegen kümmerte sich zunächst um die behelfsmäßige Reparatur seiner Brille.

Der Sektempfang fand im Freien in einem Innenhof statt. Auf dieser Freifläche befanden sich Sitzgelegenheiten, aber auch eine Bühne für Veranstaltungen. Die Lesung mit Talk jedoch sollte im Innenbereich stattfinden, in einem großen Saal.

Da wir recht früh da waren, konnten wir uns die gesamte Lokation in Ruhe ansehen. Das Kulturhaus ist recht groß und bietet viele Möglichkeiten für Veranstaltungen und Event mit unterschiedlichen Personenstärken.

Die Zuschauer trafen nach und nach ein und auch ein Fanclub fand sich ein, der Ulli Potofski schnell in seine Mitte nahm und ihn hochleben ließ. Verständlich – immerhin feierte der Autor und Sportreporter an diesem Tag seinen      71. Geburtstag!

Die Lesung startet kurz nach 20 Uhr mit einer herzlichen Begrüßung durch den Veranstalter. Die beiden Autoren stellten sich selbst auch noch mal kurz vor und nahmen dann auf zwei Sesseln Platz, so dass es wirklich den Eindruck einer Talkrunde erweckte oder wie das gemütliche Zusammensitzen bei Freunden.

Man merkte deutlich, dass in Ulli Potofski ein geborener Moderator und Erzähler steckt. Bereits nach wenigen Sätzen herrschte im Saal gespannte Stille, die zwar bisweilen lockerer wurde, jedoch konnten die beiden Autoren die Konzentration des Publikums über die Zeit hinweg halten.

Rund eine dreiviertel Stunde erzählten sie kleine Anekdoten aus ihrem Leben, gaben sich Keywörter, wechselten hin und her und sorgten so für Unterhaltung, Spaß und einen gefühlt angenehmen Abend bei Freunden.

Auch nach der Pause, die man für Erfrischungen, ein kurzes Gespräch und ein wenig Beine-vertreten nutzen konnte, ging es in dieser Form weiter. Gelesen? Das wurde nur ganz zum Schluss eine kurze Passage.

Von daher würde ich behaupten, es war vielmehr ein Talkabend, als eine Lesung, auch wenn man das Angesprochene in den folgenden beiden Büchern nachlesen kann:

Der Abend endete viel zu schnell und die Signierrunde musste leider recht kurz ausfallen, da Wolfgang Bosbach noch einen Folgetermin vor der Veranstaltung reinbekommen hatte.

Und doch ließ es sich Ulli Potofski nicht nehmen, für die Zuschauer weiterhin da zu sein, sich zu unterhalten und auch letztlich sich mit mir und meinem Mann an einen Tisch zu setzen und sich mit uns zu unterhalten:

Carmens Bücherkabinett: Das Buch ist ja kurz vor der Corona-Krise erschienen …

Ulli Potofski: Das war alles nicht wirklich schön, das war dann auch die Zeit, in der ich im Fußballstadion ohne Menschen gearbeitet habe. Was schon sehr merkwürdig war.

Carmens Bücherkabinett: Viele Veranstalter hatten in dieser Zeit auch Veranstaltungen kurzfristig abgesagt gehabt.

Ulli Potofski: Das war auch in der Coronazeit. Das war ein Saal in Homburg an der Saar, da gibt es diese Hombuch, da gingen etwa 100 Leute rein, aber nur 28 waren erlaubt. Das sah dann ganz merkwürdig aus. Deswegen ist das Buch auch so ein bisschen untergegangen und dann haben wir irgendwann dieses Booklet nachträglich gemacht, wo wir erzählen, was da alles schiefgegangen ist und wie wir ausgebremst wurden. Ein kleines Booklet über die Coronazeit.

Carmens Bücherkabinett: Wie haben Sie sich kennengelernt – Wolfgang Bosbach und Sie?

Ulli Potofski:  Kennengelernt haben wir uns 2019 durch puren Zufall. Ich war auf der Galopprennbahn in Köln und bin mit Wolfgang Bosbach ins Gespräch gekommen. Er kannte mich, ich kannte ihn, wie es halt so ist. Tag später bin ich auf dem Bahnhof, wer steht da? Wolfgang. Ein wenig später fliege ich von Frankfurt weg, wer steht mit mir am Flugsteig? Wolfgang. Ich geh in eine Kirche, wen sehe ich? Wolfgang. In 14 Tagen haben wir uns 12-mal durch puren Zufall getroffen. Beim 12. Mal sagte ich, jetzt reicht es aber auch, jetzt müssen wir uns mal hinsetzen. Wir sind beide Jahrgang 52, du interessierst dich für Fußball, ich interessiere mich für Fußball, ich interessiere mich für Themen, aber auch für Politik und das Leben. Lass uns doch einfach mal gucken, wie bist du groß geworden, wie bist du resozialisiert worden?

Wir haben uns dann in einem hübschen Hotel in Bergisch Gladbach getroffen. Das war auch schon in der Coronazeit. Da war kein Gast außer uns, das war unheimlich. Dann haben wir uns drei Tage in eine Jägerstube gesetzt, hatten ein Tonband dabeigehabt und dann haben wir eigentlich nur erzählt, erzählt, erzählt.  Und dann war ein Lektor dabei gewesen, der hat sich das alles angehört und hat es dann Gott sei Dank auch geschrieben und so ist das Buch letztlich entstanden.

Wir haben versucht mit den Erzählungen das alles etwas aufzubrechen, so dass es für jemanden, der so alt ist wie wir, nachvollziehbar ist. Gut, ihr seid zu jung dafür, aber jemand, der aus den 50ern, 60ern stammt –

Carmens Bücherkabinett: Deine Mutter ist doch Jahrgang 52. (an meinen Mann Andreas gerichtet)

Andreas Schörnig: Stimmt.

Ulli Potofski: Da haben wir doch eine Leserin. Die erinnern sich dann natürlich und wenn das aus den Gesprächen, aus den Geschichten heraus für sich vergleichen – Wo war ich da? – tauchen da Erinnerungen auf. Jeder kann sich damit im weitesten Sinne identifizieren.

Carmens Bücherkabinett: Ich habe gehört, es ist wohl noch ein Krimi in Planung?

Ulli Potofski: Ja, das ist mein schwierigster Fall, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe da so viele logische Fehler drin und nehme mir das immer wieder zur Hand und merke, das ist irgendwie nicht rund. Ich arbeite daran immer wieder mal, aber es ist noch nicht passend. Ich weiß auch nicht, ob ich das jemals fertigbekomme. Dabei ist es eigentlich ein fertiges Buch, es gibt ein Cover, es gibt alles, aber es ist nicht so, dass ich sage, das würde ich so veröffentlichen. Nein. Da bin ich sehr selbstkritisch. Das Thema ist eigentlich schön. Tödlich verliebt in eine Leiche. Klingt ja harmonisch. Mal sehen.

Das war nur ein kleiner Auszug aus dem Gespräch mit Ulli Potofski, welches wir an diesem Abend zum Ausklang noch sehr genossen haben. Wir haben uns rund eine Stunde noch mit ihm über Gott und die Welt unterhalten, bis wir dann schließlich auch entschieden, den Abend zu beenden, Ulli Potofski zum Wagen begleiteten und uns verabschiedeten.

Es war ein sehr unterhaltsamer Abend, der aber auch nachdenklich machte. Spaß hat er auf jeden Fall gemacht und die 2 x 45 Minuten gingen wie im Flug vorbei.

Wir bedanken uns bei Ulli Potosfki für das tolle Gespräch im Anschluss an die Lesung und hoffen, dass wir uns irgendwo, irgendwann mal einmal gesund wieder treffen. Jetzt heißt es für mich allerdings noch einmal abtauchen. Abtauchen in  52: ein Jahrgang – zwei Leben