Liebe Holly,
oder doch eher liebe Antje? Du hast Deinen neusten Roman „Missy und das halbseidene Kleid“ unter einem Pseudonym geschrieben. Wie kam es dazu und wie kamst Du gerade auf diesen Namen?
Meine neue Reihe spielt in Großbritannien. Mir gefiel die Idee, mir ein Pseudonym zuzulegen, das englisch klingt, aber auch Vintage, da die Protagonistin Missy ein Second-Hand-Geschäft besitzt. Bei dem Namen Holly denke ich automatisch an die 60er Jahre, an Holly Golightly aus „Frühstück bei Tiffany“. Als ich herausfand, dass der Name „die Freie“ und „die Glückliche“ bedeutet, habe ich es als gutes Omen gesehen. Und: Holly heißt auch „Stechpalme“, was auch passt, da die Geschichte in Torquay spielt, wo Palmen das Stadtbild prägen. Den Namen Birtwell habe ich in einem Buch über Vintage-Mode entdeckt. Celia Birtwell ist eine englische Modedesignerin, die in den 60er Jahren namenhafte Persönlichkeiten eingekleidet hatte. Der Name gefiel mir sofort. Ich mochte auch die Idee, mir durch mein Pseudonym ein Alter Ego zu schaffen. Du kannst mich also gerne Holly nennen!
In „Missy und das halbseidene Kleid“ entführst Du die Leser:innen an die englische Riviera. Magst Du kurz erzählen, um was es in Deinem Krimi geht?
In meinem Cozy Crime dreht sich alles um Missy, die vor einem Jahr aus Deutschland nach Torquay gezogen ist und dort einen Vintage-Laden eröffnet hat. Das Besondere ist, dass sie mithilfe ihres sehr ausgeprägten Geruchssinns die Geschichten der Kleidungsstücke herausschnuppert – und diese sind meist ziemlich verrückt! An einem Tag erhält sie von ihrem Lieferanten Harry, in den sie heimlich verknallt ist, ein ungewaschenes Seidenkleid und eine Zigarettenspitze geliefert, in der sich eine Nadel befindet. Als ihre Theaterkollegin Amanda bei einer 30er-Jahre-Party stirbt, spürt sie eine Verbindung. Sie beginnt, mithilfe der Kleidungsstücke aus ihrem Geschäft in immer andere Rollen zu schlüpfen, um zu ermitteln und die Geschichte herauszufinden. Natürlich ist der Detective Chief Inspector alles andere als angetan von ihren Vorstößen. Nebenbei holt Missy auch ihre Vergangenheit ein, vor der sie eigentlich fliehen wollte …
Wieso hast Du gerade die englische Riviera als Schauplatz für Deine Geschichte ausgesucht? Was verbindet Dich damit?
Am Anfang hatte ich ganz klassisch an Südengland gedacht. Bei der Recherche im Internet habe ich die Englische Riviera entdeckt und mich aus der Ferne schon in die Gegend mit dem wärmeren Klima, den Palmen und Sandstränden verliebt. Als ich dann herausfand, dass es auch die Heimat von Agatha Christie war, dachte ich: Perfekt! Zudem trägt Torquay als ehemalige Adelshochburg und beliebtes Touristenziel in den 20ern bis 70er Jahren jede Menge Geschichten und noch etwas Glanz mit sich – der perfekte Schauplatz für meinen Cozy Crime, in dem die Nostalgie und die Liebe zu alten Dingen und Sachen thematisiert wird.
Woher kam die Idee für Deinen Krimi?
Die Grundidee kam mir innerhalb von 10 Minuten. Ich hatte eine Autorenausbildung im Schreibhain Berlin absolviert, bei der an den Wochenenden verschiedene Genres behandelt wurden. Bei dem Krimi-Wochenende sollten wir uns in einer Übung eine Detektivin ausdenken. Dabei kam mir als Geistesblitz die Idee zu Missy, die in einem Second-Hand-Laden arbeitet, an den Kleidungsstücken riecht und skurrile Mordfälle löst, bei denen sie sich zu Recherchezwecken verkleidet. Ich liebe es aber selbst, auf Flohmärkten und in Second-Hand-Läden nach besonderen Sachen zu suchen und hatte mich nicht selten gefragt, wer die Sachen wohl vorher getragen hatte. Da Missy als Hobby-Detektivin gut ankam, habe ich die Geschichte weiterentwickelt.
Wie sehen Deine Recherchearbeiten aus? Läufst du die Wege Deiner Protagonisten ab?
Anfangs konnte ich die Gegend nur aus der Ferne bewundern, da es Corona nicht ermöglichte, selbst nach England zu reisen. Also habe ich im Internet recherchiert und mir über Google Maps die Gegend erschlossen. Als eine Reise wieder möglich war, habe ich Torquay und Teile von Süddevon selbst erkundet – und mich noch mehr in die Gegend verliebt!
Hast du Rituale beim Schreiben? Wie sieht ein ganz normaler Tag bei Dir aus?
Ich arbeite in Teilzeit als Bibliothekarin und habe einen Sohn. Daher schreibe ich meist an meinen freien Tagen oder vor der Arbeit. Dann setze ich mich oft in mein Stammcafé, wo es zum Glück kein WLan zur Ablenkung gibt, oder mache mir zuhause einen Kaffee und schreibe in meinem Ohrensessel. In der Coronazeit bin ich oft um 4 Uhr aufgestanden, weil es die einzige Zeit des Tages war, in der ich in Ruhe schreiben konnte.
Was ist bis jetzt der schönste Moment in Deiner bisherigen Zeit als Autorin gewesen?
Ich freue mich immer, wenn ich von jemandem höre, dem meine Geschichten gefallen. Vor einigen Jahren hatte ich ein Kinderbuch veröffentlicht und eine Bekannte erzählte mir, dass ihre Tochter für eine Buchvorstellung in der Schule ein Plakat dazu erstellt hatte. Das hatte mich sehr gefreut.
Und zu guter Letzt: Wann wird es eine Fortsetzung geben und weißt Du schon, was Missy als nächstes erleben wird?
Es sind bisher noch zwei weitere Bände geplant. Der Zweite ist schon fertig geschrieben und erscheint im April bei Aufbau digital. Ich kann nur so viel sagen: Es wird wieder einen etwas skurrilen Mordfall geben, der mit Missys Vintage-Laden zu tun hat. Liebgewonnene Charaktere tauchen auch wieder auf. Zurzeit konzipiere ich den 3. Band.
Liebe Holly, vielen Dank für Deine Zeit und das interessante Interview.
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Holly Birtwell
Holly Birtwell ist das Pseudonym von Antje Wenzel, die 1984 in Berlin geboren wurde. Nach einem Bibliotheksstudium in Potsdam arbeitete sie als Texterin und schrieb Geschichten für Kinder. Längere Zeit lebte sie in Hawaii, wo sie surfen lernte und an einer alten Schreibmaschine tippte. Seit den Britpop-Zeiten hat sie ein Faible für England und mag den britischen Humor in Büchern und Serien. Ihr Kinderbuch „RockeTim – Mein Hund legt los und ich zieh‘ Leine“ (Oetinger, 2017) spielt in Cornwall. Im Rahmen einer Autorenausbildung im Schreibhain Berlin entstand der Stoff für ihre Cozy Crime-Reihe, die an der Englischen Riviera, der Heimat von Agatha Christie, spielt. Seitdem verlässt sie während des Schreibens für kurze Ausflüge ihr Leben als Bibliothekarin und Mutter in Berlin, um sich in die Gegend zu träumen.
(Quelle: Aufbau Verlag)