Interview mit Ella Theiss

Ella Theiss
Foto: Ella Theiss

Liebe Ella,

vielen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst, für ein kurzes Interview. Dein neues Buch „Das Darmstädter Mörderliebchen“ ist gerade erschienen. Magst Du kurz erzählen, um was es in dem Roman geht?

Das „Mörderliebchen“ spielt vor dem Hintergrund eines wahren Mordfalls in Darmstadt zur Zeit der Deutschen Revolution. Der Beschuldigte, ein Kammerdiener namens Johann Stauf, wurde Ende 1847 inhaftiert und musste mehr als zwei Jahre auf seinen Prozess warten. Er war verlobt mit Christina Born, von der wir sehr wenig wissen. Das hat mich herausgefordert, der jungen Frau ein Stückchen Lebensweg zu geben.  Und natürlich geht es dramatisch zu, denn Christina glaubt fest an Johanns Unschuld und hofft, dass die Revolution seine Freilassung erwirkt.

In dem Buch spielt auch der Struwwelpeter-Urheber Heinrich Hoffmann eine Rolle. Wie hat er es in den Krimi geschafft und was verbindet Dich mit den Struwwelpeter-Geschichten?

Die Idee kam mir durch meine zweite Hauptfigur, den Doppelagenten Peter Emig. Er ist einer der wenigen frei erfundenen Gestalten in diesem Roman, aber er hatte schon in „Darmstädter Nachtgesänge“ eine wichtige Rolle. Peter gibt sich als Revolutionär, lässt sich eine struwwelige Mähne und einen wilden Bart wachsen, wie es die radikalen Demokraten und Sozialisten seinerzeit taten. Wir alle kennen ja die Fotos von Karl Marx. Die Gestalt des Struwwelpeter war für Hoffmann, was viele nicht wissen, eine liebevolle Persiflage auf die Revolutionäre. Dem Geheimdienst war Hoffmann äußerst verdächtig, und so habe ich Peter zu ihm nach Frankfurt geschickt.

Ich selbst und das Kinderbuch? Wahrscheinlich ist es meiner halbwegs freigeistigen Erziehung zu verdanken, dass mich dieses Buch als Kind gar nicht angesprochen hat. Verängstigt hat es mich allerdings auch nicht.

In Frankfurt am Main gibt es ein Struwwelpeter Museum. Kennst Du das Museum und diente dies zur Inspiration?

Ich war vor Jahren einmal dort und hatte während meiner Recherchen nochmals Kontakt. Ich empfehle jedem, der sich für die Biedermeierzeit und die Revolution interessiert, einen Besuch. Man lernt eine Menge, und man versteht auf Anhieb, weshalb „Der Struwwelpeter“ damals als pädagogisch fortschrittlich galt und warum er europaweit zum Bestseller wurde.

Woher kam die Idee für Deinen Krimi?

True Crimes sind, finde ich, prickelnde Sujets. Aber die Mordfälle jüngerer Zeit sind schon Stoff vieler moderner Romane. Deshalb habe ich mich im 19. Jahrhundert umgesehen und etliche heute noch erstaunliche und bewegende Geschichten gefunden – allein in Hessen. Für mich besonders interessant ist, dass ich bei einer Vielzahl der Fälle die legendäre Familie Georg Büchners in Darmstadt in die Handlung involvieren kann.

Wie sehen Deine Recherchearbeiten aus? Läufst du die Wege Deiner Protagonisten ab?

Ich recherchiere vor allem im Internet und in Bibliotheken. Straßen und Plätze in Darmstadt abzulaufen, hilft wenig. Die Innenstadt wurde im zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Aber wenn ich die alten Bilder betrachte, sehe ich die wenigen erhaltenen oder restaurierten Bauwerke mit anderen Augen.

Das Buch ist die Fortsetzung von „Darmstädter Nachtgesänge“: Muss man den ersten Band gelesen haben, um den zweiten zu verstehen?

Nein, denn es ist nicht wirklich eine Fortsetzung. Im Zentrum steht ein anderer Kriminalfall. Auch liegen zwölf Jahre dazwischen, und die Hauptfiguren sind verschieden. Aber ich schätze, es ist amüsant beide Romane nacheinander zu lesen, egal in welcher Reihenfolge, denn viele Nebenfiguren, gerade die authentischen, tauchen einerseits in neuem Licht auf und sorgen andererseits für Kontinuität.

Du schreibst auch Sachbücher und Kurzgeschichten. Sind diese beiden Genres für Dich eine Abwechslung oder eher eine Ergänzung?

Sachbücher schreibe ich aktuell nicht mehr. Es könnte aber sein, dass ich – quasi zur Abwechslung – mir wieder eins vornehme. Kurzgeschichten dagegen schreibe ich gern immer wieder zwischendurch. Die sind eine wunderbare Ergänzung, denn sie zwingen mich, einen Inhalt zu komprimieren. Das Beste daran ist aber, dass sie nun mal viel schneller fertig werden als Romane.

Hast du Rituale beim Schreiben? Wie sieht ein ganz normaler Tag bei Dir aus?

Ich schreibe am liebsten morgens, gleich nach dem Frühstück, oft noch im Pyjama. Es kommt aber auch vor, dass ich fast den ganzen Tag schreibe, oder mal eine Woche lang gar nicht. Ein festes Ritual habe ich nicht.

Was ist bis jetzt der schönste Moment in Deiner bisherigen Zeit als Autorin gewesen?

Oh, das ist schwer zu sagen. Es gab so viele tolle Lesungen und Events. Das herrlichste Erlebnis ist immer wieder, die Belegexemplare einer Neuerscheinung aus dem Versandkarton zu heben. So auch diesmal. In das Cover vom Mörderliebchen hab ich mich regelrecht verknallt.

Und zu guter Letzt: Welche Projekte stehen in nächster Zeit an? Woran schreibst Du gerade?

Derzeit schreibe ich parallel an zwei weiteren historischen True-Crime-Romanen.  Einer spielt in Darmstadt, ein anderer im nördlichen Odenwald. Mehr will ich noch nicht verraten. Ich bin selbst gespannt, welcher von beiden zuerst fertig wird.

 

Liebe Ella, vielen Dank für Deine Zeit und das interessante Interview.

 

Ella Theiss

Ella Theiss lebt in Südhessen, nahe Darmstadt. Sie hat Germanistik und Sozialwissenschaften mit Abschluss Magister Artium studiert, anschließend rund dreißig Jahre als Redakteurin, PR-Texterin und Sachbuchautorin gearbeitet. Heute schreibt sie vor allem Romane und Erzählungen, von denen mehrere ausgezeichnet wurden. Unter anderem belegte sie mit ihrem Histo-Krimi „Die Spucke des Teufels“ den 2. Platz zum Gerhard-Beier-Preis 2010, gewann ihre Erzählung „Das Hurenkind“ den Quo-Vadis-Preis für historische Kurzprosa 2013, war sie 2017 mit dem Kurzkrimi „Sehnsucht“ für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert.


Homepage der Autorin: www.ellatheiss.de

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