Liebe Ingrid,
zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst und mir zu einem Interview bereitstehst. Am 08. März 2024 ist Dein neuer Krimi „Viel Tod um nichts“ erschienen. Magst Du kurz erzählen, um was es in dem Krimi geht?
In diesem Krimi lässt sich Surendra Sinha, mein Kommissar mit indischen Wurzeln, undercover in das Schauspiel-Ensemble des Naturtheaters Hayingen einschleusen, um einen anonym angekündigten Mord bei der Premiere von „Viel Lärm um nichts“ zu verhindern. Der Arme muss also ermitteln und gleichzeitig Shakespeare spielen, und das, obwohl er noch nie auf einer Bühne gestanden und vom Theaterspielen keine Ahnung hat. (Ich weiß nicht, ob er mir das inzwischen verziehen hat.)
Es handelt sich um einen Theaterkrimi. Wie kam es zu dieser Idee und was verbindet Dich mit der Welt des Theaters?
Ich bin ein Theatermensch durch und durch, spiele seit meinem zwölften Lebensjahr regelmäßig selbst Theater (Himmel, das heißt, ich feiere in diesem Jahr mein 50-jähriges Bühnenjubiläum!), habe Theaterwissenschaft studiert und danach lange Zeit als Dramaturgin gearbeitet, u.a. zwölf Jahre lang an der Bayerischen Staatsoper München. Und auch wenn ich diesen Lebensabschnitt inzwischen beendet habe und nun als freiberufliche Autorin, Übersetzerin (Schwedisch) und Journalistin tätig bin: Auf das Theaterspielen kann und will ich nicht verzichten, deshalb habe ich mich dem Naturtheater Hayingen angeschlossen. Was in doppeltem Sinne ein Glücksfall für mich war: Zum einen macht es Spaß, dort zu spielen (auch in diesem Sommer werde ich wieder mitwirken), zum anderen wollte ich immer schon mal einen Theaterkrimi schreiben – und diese Naturbühne hat mich zu dem Plot inspiriert, aus dem letzten Endes „Viel Tod um nichts“ geworden ist.
Bei der Premiere von Shakespeares Komödie „Viel Lärm um nichts“ kommt es zu einem Mord. Wieso hast Du gerade dieses Stück ausgewählt, das auch – mit der Abänderung „Tod“ statt „Lärm“ – zum Titel des Buches wurde?
Das war eigentlich purer Zufall. Ich mag Shakespeare sehr, und bei der Überlegung, um welches Stück sich die Krimihandlung drehen sollte, habe ich mich spontan und ohne irgendeinen konkreten Grund für „Viel Lärm um nichts“ entschieden. Erst danach, beim genaueren Ausarbeiten des Plots, ist mir plötzlich aufgegangen, wie perfekt dieses Stück sich mit meinen Ideen ergänzte – das war schon beinahe unheimlich, wie gut alles passte. Im Nachhinein denke ich, das Stück hat mich ausgewählt und nicht umgekehrt; es hat bei mir angeklopft, weil es wusste, dass ich es für meinen Plot brauchen würde.
Wie sehen Deine Recherchearbeiten aus? Läufst du die Wege Deiner Protagonisten ab? Lässt Du eigene Erfahrungen oder Erlebnisse in den Roman einfließen?
Ich recherchiere so weit wie möglich immer vor Ort. Nicht nur, dass ich dann die Atmosphäre viel besser schildern kann – oft entdecke ich dabei auch Details oder spezielle Locations, auf die ich so nie gekommen wäre. Für meine Bücher bin ich schon u.a. nach Island, Nordschweden und Indien gereist. Im Fall von „Viel Tod um nichts“ war das allerdings nicht notwendig, da der Krimi mehr oder weniger vor meiner Haustür auf der Schwäbischen Alb spielt – und vor allem im Naturtheater Hayingen, wo ich ja selbst zum Schauspiel-Ensemble gehöre. Auf dieser Bühne und in ihrer Umgebung kenne ich mich also aus. Natürlich habe ich für meinen Krimi ein komplett neues Theaterensemble erfunden (Ähnlichkeiten wären rein zufällig!), aber wie ein Theaterbetrieb läuft und wie das ist, auf dieser Naturbühne zu proben und zu performen – das weiß ich aus eigener Erfahrung.
Wie kamst Du zum Schreiben?
Vergleichsweise spät, wenn man davon absieht, dass ich bereits während meiner aktiven Theaterlaufbahn zahlreiche Fachartikel sowie einige Kurzgeschichten und Theaterstücke geschrieben habe. Aber dann kam mir bei einem Winterbesuch in Nordschweden – es war eine eiskalte Nacht, alles um mich war tief verschneit und am Himmel leuchtete ein zartes Polarlicht – die Idee zu einer Art Märchen von einem kleinen Mädchen und einem sprechenden Rentier. Die Geschichte, die ich daraufhin niedergeschrieben habe, wurde zugleich meine Liebeserklärung an meine Wahlheimat Schweden und an das indigene Volk der Sámi. 2015 veröffentlichte ich sie unter dem Titel „Malin und das weiße Rentier“. Und das war sozusagen der Startschuss für meine Buchautorenkarriere.
Könntest Du Dir vorstellen auch in einem anderen Genre aktiv zu werden?
Bin ich bereits. Neben meinen Krimis habe ich (zusammen mit meiner Co-Autorin Simone Dorra) einen Liebesroman („Kuckuckssohn“) geschrieben sowie eine siebenbändige Familiensaga mit dem Titel „Kashmir-Saga“. Dazu, wie gesagt, „Malin und das weiße Rentier“, eine Geschichte für Kinder und Erwachsene, die es mittlerweile auch in englischer Sprache und (von mir selbst gelesen) als Hörbuch gibt. Ich mag keine Schubladen und bin grundsätzlich für Experimente offen, auch wenn ich mich an Fantasy oder einen Thriller bislang noch nicht gewagt habe und im Moment noch felsenfest überzeugt bin, dass ich niemals einen Horrorroman schreiben werde. Aber wer weiß, wohin mein Autorenweg mich noch führt.
Was ist bis jetzt der schönste Moment in Deiner bisherigen Zeit als Autorin gewesen?
Ich denke, das war 2018, als mein Krimi „Adlerschanze“ eine offizielle Buchpräsentation im Rahmen des Internationalen FIS-Sommerskispringens auf besagter Adlerschanze in Hinterzarten erleben durfte: Pressekonferenz zusammen mit mehreren Größen des deutschen Skisprung-Sports, mein signiertes Buch als Geschenk für die jeweils sechs erstplatzierten Damen und Herren, und am Tag danach eine Lesung im Hinterzartener Skimuseum in Anwesenheit der sympathischen Ski-Legende Georg Thoma, den ich zuvor bereits bei meinen Recherche-Arbeiten kennengelernt und der mir auf meine Bitte hin erlaubt hatte, ihm einen Gastauftritt in meinen Krimi zu schreiben! Das war wirklich eine Sternstunde.
Und zu guter Letzt: Wann kommt der nächste Band und an was arbeitest Du gerade?
Ein neuer Krimiplot mit dem Arbeitstitel „Höhlenmorde“ ist in Arbeit; einen genauen Veröffentlichungstermin kann ich allerdings derzeit noch nicht nennen. Am besten, ihr behaltet meine Website www.ingrid-zellner.de im Auge, dann seid ihr immer auf dem Laufenden über alles, was bei mir los ist.
Liebe Ingrid, vielen Dank für das interessante Interview.
Sehr gerne. Vielen Dank und alles Liebe dir und deinem Bücherkabinett!
Ingrid Zellner
Ingrid Zellner wurde 1962 in Dachau geboren. Sie studierte in München Theaterwissenschaft, Neuere deutsche Literatur und Geschichte (1988 Magisterexamen). Von 1990 bis 1994 war sie als Dramaturgin am Stadttheater Hildesheim engagiert, von 1996 bis 2008 in derselben Funktion an der Bayerischen Staatsoper München. Heute ist sie vor allem als Autorin, Übersetzerin (Schwedisch) und Journalistin tätig. Sie veröffentlichte Romane, Krimis, ein Kinderbuch, Kurzgeschichten, CD-Booklet-Texte, Artikel und Theaterstücke. Daneben ist sie Regisseurin und Schauspielerin; große Erfolge u.a. als Dorfrichter Adam in Kleists Der zerbrochne Krug. Sie ist Backing Vocalist für die Punk-Rock-Band Garden Gang und leitete sechs Jahre lang ein Jugendtheater-Ensemble. Derzeit lebt sie in Gomadingen auf der Schwäbischen Alb und spielt im Ensemble des Naturtheaters Hayingen. Ihre bevorzugten Reiseziele sind die Länder Skandinaviens, die Arktis und Indien.